Leipziger Internetzeitung, 14.09.2018
… Deswegen ist die Etappe Dresden von 1846 bis 1850 im Leben Schumanns so wichtig. Hier fand er augenscheinlich nicht nur die anregende Umgebung, die ihn zu seinen besten romantischen Kompositionen animierte, sondern auch die nötige Ruhe. Auch wenn seine Tagebucheinträge gerade zu solchen Dingen keine Auskunft geben. Was auch Köhler bedauert. Auch die Wohnungen, in denen die Schumanns lebten, beschrieb Schumann nicht. […] Und wer sich auf diesen Spaziergang begibt, merkt, dass er es die ganze Zeit mit einer Feier der großen Gefühle zu tun hat, mit einem positiv besetzten Begriff der Schwärmerei, der Sehnsucht nach einer harmonischen Welt und der Verbindung von Innigkeit und dem Rausch der Sinne. Oder mal direkt Köhler zitiert: „Auch Schumann wusste um seine Genialität, die er als Fähigkeit der visionären Zusammenschau im kreativen Akt verstand.“ An der Stelle wird insbesondere die Sicht von Gustav Carus betont, der mit seiner Malerei auch einen Gegenpol zur gerade in dieser Zeit aufkommenden Tendenz setze, die Natur (nur) unter sachlichen, ökonomischen Gesichtspunkten zu betrachten. Es ist die Zeit der beginnenden Industrialisierung. Und nicht nur Carus glaubte, im Poetischen das „eigentliche Wesen“ der Welt begreifen zu können. […] Man wandelt immer auf den Spuren von beiden, wenn man durch Leipzig oder Dresden geht mit so einem Blick-Führer in der Hand. […] Beide werden – zumindest in Konturen – sichtbar. Genauso wie dieses Dresden als einer der eindrucksvollsten Knotenpunkte der Spätromantik.
Ralf Julke
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… Auf höchst anschauliche Weise beleuchtet dieses Buch Schumanns produktive Dresdner Zeit. Hans Joachim Köhler – Herausgeber der Urtext-Edition des Schumann’schen Klavierœuvres und profunder Kenner von Werk und Vita – geht in seinem einfühlsamen Text die Wege Schumanns in Stadt und Umgebung nach. Er schildert die allmähliche Genesung des Hypersensiblen, er berichtet von erfolgreichen Uraufführungen […] Doch Köhler lenkt den Blick auch auf dunkle Vorahnungen […] Mit historischen und modernen Fotos reich ausgestattet, zeigt das eindrucksvolle, exquisit gefertigte Buch nicht zuletzt, welch tiefe Wunden die Zeitläufte in die Stadt an der Elbe geschlagen haben.
Gerhard Anders
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Schumann-Journal 8/2019, S. 432‒434.
… Um es gleich vorweg zu sagen: Da die sächsische Residenzstadt Dresden im 19. Jahrhundert wesentlich größer und bevölkerungsreicher als das bürgerliche Leipzig war, ist die hier ausgebreitete Stofffülle um eben soviel umfangreicher, ja wirkt auf den unvoreingenommenen Benutzer nicht selten erdrückend. Jedoch ist die dargebotene Zahl an originalen Textzitaten ein echtes Geschenk an den Leser. Nur knapp sechs Jahre haben die Schumanns mit ihrer wachsenden Familie in Dresden und Umgebung verbracht und während dieser Zeit etliche Reisen wie nach Wien und Berlin unternommen, und doch ist die Menge der Örtlichkeiten und der begegnenden Personen überreich […] Die Fülle an begegnenden Persönlichkeiten wird gegliedert, indem einige besonders wichtige in der Art von Exkursen her vorgehoben werden: etwa Wagner, Ferdinand Hiller, Wilhelmine Schroeder-Devrient und später die bildenden Künstler Eduard Bendemann und Julius Hübner. Für diese eingehenderen Darstellungen ist man dankbar, obwohl Köhler es dem Leser anheimstellt, sie zu überblättern ‒ was man nicht tun sollte. […] Insgesamt ist auch dieser Band Hans Joachim Köhlers eine dankenswerte Handreichung zur Erkundung von Robert und Clara Schumanns zweitem gemeinsamen Wohnort, wenn auch die Feststellung, es handle sich um den wichtigsten Schaffensort des Komponisten, vermutlich in Leipzig und Düsseldorf nicht unbestritten bleiben wird.
Gerd Nauhaus