Beschreibung
Der Westbalkan mit seinen Grenzen und Nischen ist Heimat zahlreicher Zigeunerkulturen, die heute weltweit vernetzt sind und die partiell einen ganz eigentümlichen Islam kreieren. Wer sich diesem Zigeunerislam nähert, begegnet nicht der Exegese religiöser Texte, sondern setzt sich einer ganz praktischen Mystik aus, die die technisierte Moderne in den Bereich der Computerspiele, Märchensammlungen und Esoterikzirkel ausgelagert hat.
Diese Zigeuner-Mystik ist Teil des Buketts von „Religionssammlern“, die – ohne um die eigene Familie, Nachbarschaft oder Ethnie zu wissen – Elemente der verschiedenen orthodoxen Religionen wie auch heterodoxer Lehren, dazu noch überlieferten Altglauben und heidnische Sinnstiftungen aufnehmen und verschmelzen und so Traditionen Genüge tun, Paradoxien auflösen und Lücken bei der religiösen Ausdeutung der Welt schließen. In einsamer Versenkung, rituellen Grenzerfahrungen und lautstarken Debatten versuchen Mystiker – Laien wie Experten –, verschiedene Modelle der Welterklärung in Einklang zu bringen, ohne die Existenz Allahs und der Djinne in Frage zu stellen. Nur der Mystiker weiß, dass sich die dogmatischen Fundamentalisten irren, wenn sie die Lebensrealität und -erfahrungen der Menschen öffentlich an den religiösen Schriften ausrichten wollen. Die mystischen Glaubensvorstellungen und -praktiken bei Zigeunergruppen auf dem Balkan hingegen sind Reaktion auf vielfältige Bedrohungen, denen heute Gemeinschaften allgemein ausgesetzt sind, und haben so auch eine wichtige integrative Funktion.
2018, 336 Seiten, Klappenbroschur, 17 x 24 cm;
ISBN: 978-3-938533-65-9
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