Beschreibung
Ausgezeichnet mit dem wissenschaftlichen Förderpreis der Stauferstiftung Göppingen 2021
Nördlich der Alpen ist König Manfred eher ein Unbekannter. Ein sizilischer König mit so einem Namen? Ja, der Urenkel Friedrich Barbarossas. Ach so, aha. Südlich von Rom hingegen ist die Erinnerung an Re Manfredi lebendig. Straßen und Plätze sind ebenso nach ihm benannt wie Bars, Hotels und Pizzerien, es gibt Wein, der seinen Namen trägt, und die herzhafte Torta di Re Manfredi. Ein Sympathieträger, der tragisch ums Leben kam. Ganz in der Nähe ist ein Kastell von Manfred, hier in der Kirche soll er auch gewesen sein … Wer auf den Spuren Manfreds im ehemaligen Königreich Sizilien unterwegs ist, wird gern ein wenig ausgefragt, erntet erfreutes Erstaunen, kann Anekdoten lauschen. Ach, es soll um die Grafen an Manfreds Seite gehen? Auch da sind einige Namen bekannt: Corrado d’Antiochia, Galvano Lancia, Manfredi Maletta. Sie wirken wie strahlende Ritter: mutig, edel, treu, musikalisch. Doch welche Aufgaben übernahmen diese Adeligen im Königreich Sizilien, in diesem durchorganisierten „Modellstaat“, in dem es für die Verwaltung doch eigens eingesetzte Funktionsträger gab? Was unterschied die Grafen von anderen Adelsgruppen, was verband sie untereinander? Wozu benötigte der Herrscher sie, wenn er sie doch ebensogut ein- wie absetzen konnte? Und wer gehörte überhaupt zu diesem prekär-illustren Kreis?
Um eine Studie über einen Teilbereich der Organisation des Regni Siciliae am Ende des Hochmittelalters – in Person der Grafen – anfertigen zu können, müssen verschiedene Spezifika dieses Königreiches beachtet werden: 1) das noch vergleichsweise junge Königtum und die vielfältigen kulturellen Einflüsse in der Region; 2) die gut organisierte Verwaltungsstruktur; 3) die – von den Königen nicht zwingend anerkannte – Lehnshoheit des Papstes. Alle diese Aspekte hängen mit der Thematik der Grafen und Grafschaften zusammen: sie wirkten auf die Lehensstruktur und die Verankerung der Adligen in ihrer Region; sie konnten Anreize für die Ausgestaltung von Ämtern und Würden geben; sie gaben das organisatorische Gefüge vor, in welches die Grafen als eine von verschiedenen Gruppen eingegliedert waren; sie boten den Großen des Königreiches eine Alternative, indem neben der königlichen auch die päpstliche Autorität ins Feld geführt werden konnte.
So spielen also sowohl im Reich als auch in (Ober-)Italien wieder die bekannten Faktoren Amt, Erblichkeit, militärische Zuständigkeit, Gerichtsbarkeit und Veränderlichkeit eine Rolle. Die Grafen waren im Reich anderen Adelsgruppen nachgeordnet, jedoch machten die Grafen im Untersuchungszeitraum die ranghöchste Adelsgruppierung im Regno Siciliae aus. Es gab im Mezzogiorno weder Herzöge noch Markgrafen und der einzige Fürst war Manfred selbst, bis dieser Titel unter Konradin bzw. den Anjou wieder anzutreffen ist. Die Inhaber der sizilischen Lehen waren die comites, im Rang gefolgt von den barones und den milites.
Diese drei Gruppen von sizilischen Lehensträgern unterstanden aufgrund der Art ihres Lehens direkt dem Herrscher. An der Spitze dieser Rangfolge standen die Grafen. Jenseits der Titulatur sind die Grenzen in der Rangordnung allerdings nur schwer zu ziehen. In der Forschung finden sich zwar einige Kriterien für die weitere Hierarchisierung der Lehensinhaber, doch sind diese eher weicher Natur.
Welche Rolle übernahmen also die Grafen, um die seit dem Tod des Kaisers so gerungen wurde, deren Position dabei jedoch stets vom Wohlwollen des Regenten abzuhängen schien und die dennoch an der Spitze der Adelshierarchie standen, im Königreich Sizilien? Handelte es sich vor allem um eine Auszeichnung oder waren mit der Grafenwürde auch konkrete Rechte und Pflichten verbunden? Zunächst wird zu fragen sein, um wen sich die um den Vorrang im Regno streitenden Kräfte bemühten. Und andersherum: auf welche Seite schlugen sich die Grafen, zu welchen Zeitpunkten wechselten sie die Fronten? Wer – und dies gilt es, sowohl auf der Herrscher- als auch auf der Adelsebene zu betrachten – profitierte von den Erhebungen? Was zeichnete diese Adligen aus, waren sie besonders einflussreich, besonders fähig, hegten sie eine besonders enge Beziehung zum Herrscher, worauf gründeten sich also die Ansprüche auf einen Grafentitel? Mit welchen Aufgaben wurden sie betraut und wo hielten sie sich auf? Auch nach dem Verschwinden der Staufer im Regno stellte sich für die Grafen erneut die Frage der Anerkennung und der Parteinahme. Waren sie in der Lage, ihre gesellschaftliche Position zu verteidigen? Welche Möglichkeiten standen ihnen als Anhänger Manfreds überhaupt noch offen?
Neben strukturellen Fragen soll auch dem gräflichen Urkundenwesen Aufmerksamkeit zuteil werden. Über die gräflichen Aktivitäten und das Itinerar hinaus stellen sich hier Fragen nach der formalen Gestaltung. Traten die Grafen hier durch die Anwendung bestimmter Symbole, Formate, eines einheitlichen formalen Aufbaus u. ä. als geschlossene Gruppe auf? Wer schrieb die Urkunden eines Grafen? Was lässt sich anhand der verwendeten Formeln über die politische Parteinahme der Grafen ableiten? Am Ende steht der Versuch, die Gruppe der sizilischen Grafen zu charakterisieren, ihren Platz und ihre Funktion im Gefüge des Königreiches zu bestimmen.
2023, 2 Bände à 276 Seiten, Festeinband, Leinen, insgesamt 76 Abbildungen, 7 Grafiken, 12 Tabellen, 10 Karten, Indices, 24 x 32 cm
ISBN: 978-3-938533-71-0
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